Dividende ist nicht der neue Zins – die Tantiemen-Romantik ist fehl am Platze
Kürzungen, Streichung und sogar Verbote: Dividenden sind in diesen Zeiten keine gute Quelle für Renditen und schon gar nicht der neue Zins, wie es einige Asset-Manager suggerieren. Weshalb das so ist und warum viele Investoren noch eine romantisierte Vorstellung von Dividenden haben.
Dividendenstrategien haben in diesem Jahr einen schweren Stand. Die Corona-Pandemie hat die internationalen Ausschüttungen mit voller Breitseite getroffen. Durch den fast weltweiten Lockdown und dem damit verbundenen historischen Wirtschaftseinbruch haben viele Unternehmen ihre Dividendenzahlungen gekürzt oder gar ganz gestrichen. Die Europäische Zentralbank ging sogar noch einen Schritt weiter und verbot den europäischen Banken die Dividendenzahlungen.
Für entsprechende Fonds waren die Entwicklungen eine Hiobsbotschaft. Während viele andere Strategien die schnelle Erholung nach dem Markteinbruch ausnutzten und zahlreiche von ihnen schon wieder deutlich im Plus stehen, liegen viele Dividendenfonds seit Jahresbeginn noch immer in der tiefroten Verlustzone. Ob sie dabei ausschüttend oder thesaurierend konstruiert sind, macht meist keinen Unterschied. Denn nicht nur die niedrigeren oder nicht vorhandenen Dividenden schmerzen – auch die Kursreaktionen darauf.
CAPinside-Experte Christian W. Röhl musste die schmerzliche Erfahrung im Dividendenbereich schon im Frühjahr machen. Die alljährlich in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und der FOM Hochschule aus Essen erscheinende Dividendenstudie zeigte schon damals, dass die Situation an den Dividendenmärkten größtenteils verheerend ist – auch wenn das eine schmerzliche Erkenntnis für Dividendenfreunde war: „In der aktuellen Extremsituation, die historisch ohne Beispiel ist, hat jedoch die Sicherung der Liquidität zunächst Vorrang. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Anteil der Unternehmen, die trotz eines Bilanzgewinns nicht ausschütten, mit knapp einem Fünftel sogar noch höher ausfällt als 2008“, heißt es in der Studie.
Dividende als zusätzliches Risiko
Dazu käme auch die politische Brisanz von Ausschüttungen in Krisensituationen, wenn Unternehmen gleichzeitig Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar kündigen. Auch aus diesem Grund sind Röhl und seine Mitstreiter sich auch einig, dass das vielzitierte Motto zur Dividende als neuer Zins falsch ist. Zwar hätten zuverlässige Dividendenzahler in den letzten 15 Jahren auch überdurchschnittlich gut abgeschnitten: „Doch auch Dividenden-Perlen sind zuallererst Aktien – und bergen dieselben Rückschlagsrisiken wie der DAX und andere marktbreite Aktien-Indices.“
Das wurde auch an der Marktentwicklung der zehn deutschen Aktien deutlich, für die im Frühjahr 2019 noch die höchste Dividendenrendite erwartet wurde. Sie entwickelten sich nicht nur deutlich schlechter als der Markt, sondern senkten auch ihre Ausschüttung im Durchschnitt kräftig nach unten. Dividenden alleine sind deswegen wohl nie die Lösung.
Der gleichen Meinung ist auch Martin Stürner, Vorstandsvorsitzender der PEH Wertpapier AG und Fondsmanager des PEH EMPIRE. Er berechnet Dividenden nur als einen kleinen Datenkranz in die Methodik seiner Strategie ein und gesteht den „Tantiemen“ damit nur eine ziemlich kleine Bedeutung zu. Gewisse Chancen im weiten Dividenden-Feld können so zwar Auswirkungen auf die Strategie haben, die negativen Auswirkungen von verpassten Dividenden stuft Stürner aber generell schwerwiegender ein als die positiven Auswirkungen von „Tantiemen“: „In der Corona-Krise ist schließlich abermals klar geworden, wie groß das Enttäuschungspotenzial ist.“
Dividende versus Kurs
Für Stürner ist das Prinzip der Dividenden inzwischen schwerer zu greifen als die Kursentwicklung der zugrundeliegenden Aktien. „Teilweise zahlen Unternehmen ihre Dividenden aus der Substanz aus und erwirtschaften das Geld gar nicht“, ruft Stürner in Erinnerung und verweist auf weitere wichtige Kennzahlen wie Dividendenkonstanz oder die Ausschüttungsquote der einzelnen Unternehmen.
Außerdem würden viele Investoren immer noch zu sehr an die klassische und romantisierte Definition der Aktie glauben, bei der die Dividende die Primärquelle für Rendite sei. „Das hat sich seitdem aber sehr verschoben“, meint Stürner. Mit dem zunehmenden und immer schnelleren Handel kommt es inzwischen eben mehr auf die Kursentwicklung denn auf die Dividende an. Und das setzt Stürner deswegen auch im PEH EMPIRE um: „Was nützt schließlich eine vermeintlich attraktive Dividendenrendite, wenn dann die Aktie trotzdem abschmiert?“